Aluminiumkabel verdrängen Kupferleitungen

Aluminiumkabel verdrängen Kupferleitungen

Die hohen Preise für Kupfer führen dazu, dass immer mehr Branchen auf Stromkabel aus Aluminium setzen. Eins zu eins ersetzen lässt sich Kupfer allerdings nicht - die Konstrukteure müssen an vielen Stellen umdenken.

Seine gute Leitfähigkeit und Verformbarkeit machen Kupfer zum Standardmaterial für Stromleitungen. Das Metall hat allerdings zwei Haken: Es ist schwer und wird immer teurer - seit 2008 hat sich der Kupfer - preis mehr als verdreifacht. Deshalb setzen Ingenieure zunehmend auf Kabelkerne aus Aluminium.

Zwar leitet das Leichtmetall Strom nur rund halb so gut wie Kupfer, aber dafür wiegt es auch nur ein Drittel so viel. Im Airbus A380 werden bereits Alu-Kabelstränge eingebaut. Auch Hochspannungs-Freileitungen, die ein möglichst geringes Eigengewicht haben müssen, werden mittlerweile bevorzugt aus Aluminium gefertigt. Nun nimmt die Umstellung auf Alu auch in der Automobilbranche an Fahrt auf. "Das ist ein heißes Thema - ich kenne keinen Hersteller, der nicht daran forscht", sagt Hartmut Hoffmann, Leiter des Lehrstuhls für Umformtechnik und Gießereiwesen an der TU München (TUM).

Vor allem bei Elektroautos kommt es wegen der schweren Batterie darauf an, bei allen anderen Komponenten Gewicht zu sparen. "Ein ganzes Bordnetz aus Aluminium könnte theoretisch rund zehn Kilogramm leichter als die Kupfervariante ausfallen", bestätigt Markus Schill, Produktmanager beim Autozulieferer Leoni.

 

Der Anfang ist bereits gemacht: So bestehen die Kabel in den Türen des neuen Toyota Verso-S bereits teilweise aus Aluminium. Und BMW setzt ein flaches Alu-Band im Fahrzeug-Unterboden als Verbindung zwischen Batterie und Anlasser ein. Vollständig gelöst seien die Probleme, die man sich mit dem vermehrten Aluminium-Einsatz einhandelt, aber noch nicht, so Hoffmann.

Eines davon betrifft die Steckverbindungen. Üblicherweise werden Kupferstecker und -kabel dauerhaft verbunden, indem sie fest zusammengepresst werden - "gecrimpt" im Fachjargon. Alu aber "kriecht" bei höheren Temperaturen - es verändert seine Form im Mikrometerbereich. Klassische Crimp-Verbindungen wären damit nicht mehr zuverlässig genug. "Mit Aluminium wäre hier ein Wackelkontakt programmiert", sagt Hoffmann. Alu-Kabel mit Steckern aus Kupfer zu verbinden ist ebenfalls keine Option. Die beiden Elemente vertragen sich elektrochemisch nicht und wären deshalb stark korrosionsgefährdet.

 

Im aktuellen Forschungsprojekt Leiko ("Leiter und Kontaktierung zukünftiger Elektrofahrzeuge") haben Hoffmann und seine Kollegen nun eine Lösung für den Kontakt entwickelt: Ein kleiner Stahlblechkäfig mit einer Feder drückt zwei Kabel zusammen. Die beiden Kabelenden sind keilförmig angeschrägt. "Durch den Kriecheffekt schmiegen sich die beiden Kontakte so zunehmend aneinander an und verbessern die elektrische Verbindung sogar", erklärt Hoffmann.

Umdenken müssen Autobauer auch hinsichtlich Montage und Bauraum. "Aluminiumkabel benötigen wegen ihrer geringeren Leitfähigkeit einen 67 Prozent größeren Querschnitt als ihre Pendants aus Kupfer", sagt Josef Kindersberger, Leiter des TUM-Lehrstuhls für Hochspannungs- und Anlagentechnik. Das müsse vor allem bei der Konstruktion von Kabelkanälen und Durchführungen berücksichtigt werden. "Wir müssen das immer für den Einzelfall prüfen. Leichte Kabel nützen nichts, wenn man sie nicht verlegt bekommt", ergänzt Georg Steinhoff, BMW-Experte aus der Abteilung "Metallische Werkstoffe". Da künftige Generationen von Elektroautos aber von Grund auf neu gestaltet werden, könne man den benötigten Bauraum im Voraus einplanen, so Steinhoff.

Nun sollen die neuen Steckverbindungen des Leiko-Projekts in das Elektro-Forschungsfahrzeug "Mute" der TUM eingebaut und auf der Internationalen Automobilausstellung im September in Frankfurt gezeigt werden.

Andere Branchen planen kurzfristiger, haben aber ähnliche Probleme bei der Kabelverlegung. Die Stadtwerke Hannover entschieden sich wegen der gestiegenen Rohstoffpreise im letzten Herbst, Aluminium- statt Kupferkabel für eine 110-Kilovolt-Verbindung zwischen einem Heizkraft- und einem Umspannwerk zu verwenden. Die doppelt so dicken Alu-Leitungen ließen sich aber nicht mehr durch einen starken Knick der bereits verlegten Leerrohre führen - also musste die Straße an dieser Stelle erneut auf gerissen werden. Immerhin: Die Preisdifferenz zwischen den beiden Metallen war so groß, dass die Stadtwerke trotz der zusätzlichen Bauarbeiten insgesamt günstiger wegkommen.